Auftraggeber versus Angebotssteller: Rechte und Pflichten im öffentlichen Vergabeverfahren

Das „Bundesgesetz über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen“, kurz Bundesvergabegesetz, ist eine Art Bibel für Auftraggeber und Angebotssteller in öffentlichen Vergabeverfahren. Es beinhaltet Auftragsarten und verschiedene Vergabeverfahren, Regeln für die Angebotslegung und Schwellenwerte. Außerdem sind Grundsätze des fairen Wettbewerbs festgeschrieben. Wir werfen einen genauen Blick auf das Bundesvergabegesetz und leiten daraus To-dos für Auftraggeber und Angebotssteller ab.

Vorneweg: Das BVerG ist 236 Seiten lang, dieser Blogbeitrag erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er ersetzt auch keine juristische Beratung zu diesem Thema, zumal weitere Rechtsgrundlagen wie das „Bundesvergabegesetz Konzessionen“ und Landesgesetze zur Prüfung von Auftragsvergaben ausgeklammert bleiben.

 

Öffentliche Auftraggeber und Auftragsarten im Bauwesen

Alles beginnt – wie so oft – mit einer Definition. Öffentliche Auftraggeber sind unter anderem Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, ausgegliederte Unternehmen wie das Bundesrechenzentrum sowie weitere Einrichtungen, die Aufgaben im Allgemeininteresse wahrnehmen. Solche Aufgaben können beispielsweise der Betrieb von Spitäler, Altenbetreuungseinrichtungen oder Kindergärten sein. Ebenfalls in den Geltungsbereich des Bundesvergabegesetzes fallen sogenannte Sektorenauftraggeber. Klassische Beispiele: Gas-, Wärme-, Wasser- und Energieversorger sowie Postdienste.

Zu den öffentlich auszuschreibenden Aufträgen zählen neben Lieferaufträgen und Dienstleistungsaufträgen vor allem Bauaufträge. Sie umfassen vorbereitenden Baustellentätigkeiten (Gebäudeabbruch, Erdbewegung usw.), Hoch- und Tiefbau, Bauinstallationen, den Bereich „Sonstiger Ausbau“ (Verputz, Malerei, Fußboden-/Fliesenleger, Reinigung …) und auch die Vermietung von Baumaschinen.

Es gibt zahlreiche Ausnahmen, die eine Nicht-Anwendung des Bundesvergabegesetze begründen, etwa Aufträge, deren öffentliche Ausschreibung Sicherheitsinteressen der Republik berühren würde (Landesverteidigung). Sie sind aber nicht großzügig auszulegen, das heißt, im Zweifel ist von einer Anwendung des BVerG auszugehen.

To-do des Auftraggebers: Er trägt die Beweislast, falls er einen Ausnahmegrund von der öffentlichen Ausschreibung geltend macht, und muss die maßgeblichen Gründe in Schriftform festhalten.

Vergabeverfahren

Welche Vergabeverfahren gibt es?

Nur zwei Verfahrensarten sind immer zulässig: das offene Verfahren und das nicht offene Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung. Im ersten Fall wird eine unbegrenzte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Das nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung ist dagegen zweistufig: Im ersten Schritt werden eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen aufgerufen, anschließend werden ausgewählte Bieter (mindestens drei) zur Angebotslegung aufgefordert.

Es gibt einige weitere Verfahren, die das Vergaberecht vorsieht, die öffentliche Auftraggeber aber nur unter bestimmten, vom Gesetz definierten Bedingungen anwenden können. Dazu zählen unter anderem das nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung, das dynamische Beschaffungssystem, elektronische Auktion, Innovationspartnerschaft, Rahmenvereinbarung und die Direktvergabe.

To-do des Auftraggebers: Er muss ein gesetzeskonformes Vergabeverfahren wählen. Falls er sich für eine andere Form als das das offene Verfahren oder das nicht offene Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung entscheidet, kann von befugten Stellen ein Bericht über das Vorliegen der Voraussetzungen verlangt werden.

Grundsätze der Ausschreibung

Die Ausschreibung ist das Kernstück jedes Vergabeverfahrens und muss mit besonderer Sorgfalt vorgenommen werden, zumal die damit verbundenen gesetzlichen Bestimmungen sehr kompliziert sind. Welche Inhalte erforderlich sind, hängt zu einem guten Teil vom Auftragsgegenstand ab. Standard-Angaben sind die Leistungsbeschreibung, die Art und Weise der Angebotsabgabe, Kommunikationswege, geforderte Nachweise von Angebotsstellern, Ansprechpartner und Fristen.

Viele Körperschaften machen ihre öffentlichen Ausschreibungen auf Webseiten oder in Amtsblättern bekannt. Hier ist allerdings im Normalfall nur eine Kurzbeschreibung zu finden. Das genaue Leistungsverzeichnis muss oft gegen Entgelt bestellt werden. Darüber hinaus gibt es mehrere Ausschreibungsdatenbanken – den Überblick über alle öffentlichen Ausschreibungen zu behalten, ist auf dieser Basis dennoch kaum möglich.

Wer keine öffentliche Ausschreibung verpassen will, sollte daher unbedingt mit einem qualifizierten Informationsdienstleister zusammenarbeiten.

To-do des Auftraggebers: Er muss die Ausschreibung korrekt formulieren und eine neutrale, diskriminierungsfreie Leistungsbeschreibung beifügen, die als Basis für die Vergleichbarkeit von Angeboten geeignet ist.

To-do des Angebotsstellers: Der öffentliche Auftraggeber muss die Möglichkeit schaffen, dass Unternehmen von einer Ausschreibung Kenntnis erlangen. Die Sichtung von Ausschreibungen ist eine Holschuld des Angebotsstellers.

Angebotsabgabe und Vergabe

Nicht nur bei Ausschreibungen, auch bei Angeboten bestehen bestimmte formale und inhaltliche Kriterien. Allen voran müssen sie sich an die Ausschreibung halten und die dort vorgeschriebene Form aufweisen. Auch Angebote für Teilleistungen sind nur zulässig, wenn diese Möglichkeit in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehen ist.

Ein Angebot muss jedenfalls enthalten (Auszug):

  • Firmenbezeichnung und Geschäftssitz des Bieters
  • Preise
  • Aufzählung der beigefügten Unterlagen
  • Aufzählung jener Unterlagen, die gegebenenfalls nachgereicht werden
  • Datum und rechtsgültige Unterfertigung (bei elektronischer Übermittlung: sichere elektronische Signatur)

Durch die Abgabe des Angebots erklärt der Bieter, dass er befugt und befähigt ist, den ausgeschriebenen Auftrag auszuführen, ohne dass dafür eine gesonderte Erklärung notwendig wäre.

Mit der Angebotsprüfung und Vergabe müssen Personen betraut werden, die dafür fachlich geeignet sind. Zunächst werden ungültige Angebote ausgeschlossen, die formale oder inhaltliche Anforderungen nicht erfüllen, nicht fristgerecht eingebracht wurden oder bei denen andere Ausschlussgründe vorliegen.

Unter den verbleibenden Angeboten erfolgt die Vergabe nach dem Best- oder Billigstbieterprinzip. Welches Prinzip angewandt wird, muss bereits in der Ausschreibung festgelegt werden. Die Zuschlagsentscheidung wird schriftlich begründet. Mit der schriftlichen Verständigung jenes Unternehmens, das den Zuschlag erhält, tritt das Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer in Kraft.

To-do des Auftraggebers: Objektive Prüfung der Angebote durch geeignete Personen, Dokumentation der Zuschlagsgründe und Information an den erfolgreichen Bieter.

To-do des Angebotsstellers: Einhaltung aller in der Ausschreibung festgelegten Kriterien und Bezug auf Inhalt, Form und Übermittlungsweg des Angebots.

Schwellenwerte

Schwellenwerte und ihre Bedeutung

Bestimmte Verfahrensregeln sind an die Unter- bzw. Überschreitung sogenannter Schwellenwerte gebunden. Sie beziehen sich auf das geschätzte Auftragsvolumen. Darüber hinaus hängt von diesen Schwellenwerten ab, ob ein öffentlicher Auftrag EU-weit ausgeschrieben werden muss oder eine nationale Ausschreibung ausreicht. Die Werte werden alle zwei Jahre von der Europäischen Union festgelegt und gelten in allen Mitgliedsstaaten gleichermaßen.

Bei Bauaufträgen liegt der Schwellenwert gemäß der neuen Fassung exakt bei 5.583.000 Euro und ist damit recht hoch angesetzt – unterschwellige Projekte sind so gesehen der Normalfall. Oberschwellige Liefer- und Dienstleistungsaufträge von öffentlichen Auftraggebern beginnen bei 221.000 Euro.

Die Summen beziehen sich jeweils auf den geschätzten Auftragswert ohne Umsatzsteuer. Im Fall von Bauaufträgen schließt die Schätzung neben dem Gesamtwert der Bauleistungen auch Waren und Dienstleistungen ein, die dem ausführenden Unternehmen vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden. Wenn ein Bauauftrag in mehrere Teilaufträge unterteilt ist, wird die Gesamtsumme zur Beurteilung des Schwellenwerts herangezogen.

Unser Fazit

Abschließend noch einmal zur Erinnerung: Wir haben versucht, einen sehr langen Gesetzestext in verständlichem Deutsch zusammenzufassen. Dabei gehen natürlich viele Detailinformationen verloren, unser Blogbeitrag ist daher keinesfalls als juristischer Ratgeber zu sehen. Das komplette Bundesvergabegesetz zum Nachlesen finden Sie hier.

Zusammenfassend lässt sich jedenfalls festhalten, dass eine öffentliche Ausschreibung für den Auftraggeber ungleich aufwendiger ist als für den Angebotsleger. Wichtig für teilnehmende Betriebe ist vor allem: Ausschreibungen genau lesen und die Vorgaben bei der Angebotserstellung exakt umsetzen. Und davor natürlich: den Überblick über die Vielzahl der öffentlichen Ausschreibungen behalten! Hier hilft die Online-Datenbank Xplorer von DOCUmedia. Gerne mal reinschauen oder im persönlichen Austausch mehr erfahren.


Abschließender Hinweis

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern auf dieser Website die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

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