Tiny Houses – das Patentrezept für leistbares Wohnen?

Ein neuer Trend greift um sich. Von internationalen Stararchitekten bis zu Architekturstudenten versuchen viele Fachleute, bewohnbare Einheiten auf kleinstem Raum zu schaffen. Dahinter steckt das „Tiny House Movement“, das um die Jahrtausendwende in den USA entstanden ist und auch bei uns  viele Anhänger hat. In Österreich sind die rechtlichen Rahmenbedingungen strenger, doch auch hier begünstigt die Entwicklung im Bereich Bauen & Wohnen den Mikrohaus-Trend. Ein guter Grund für eine Spurensuche: Wie sieht die Rechtslage aus? Lebt es sich in Tiny Houses wirklich nachhaltiger? Und welche Herausforderungen bringen die Wohneinheiten mit nur 15 bis 45 Quadratmetern Nutzfläche für die Erbauer?

Zunächst ein paar Zahlen der Statistik Austria: Im Jahr 2020 war eine durchschnittliche Wohnung knapp 100 Quadratmeter groß. Die Wohnfläche pro Person lag bei 45,5 Quadratmetern, fünf mehr als noch 2004. Gleichzeitig kletterte die Zahl der Ein-Personen-Haushalte auf 1,5 Millionen. Die Haushaltsgröße schrumpft also, während die Wohnungsgröße zunimmt. Durch das Bevölkerungswachstum – im Frühjahr 2022 wurde in Österreich die Marke von 9 Millionen Einwohnern geknackt – steigt auch der generelle Wohnraum-Bedarf. Mit ihm geht noch etwas steil nach oben: die Mietpreise. All diese Entwicklungen lassen den Ruf nach neuen, leistbaren Wohnlösungen laut werden.

Tiny-Houses

Bauen mit Widmung oder „Hausen auf Rädern“

Wir befinden uns in einer ähnlichen Lage wie die Vereinigten Staaten Ende der 1990er-Jahre, als die Tiny-House-Bewegung aufkam. Neben der Finanzkrise im Jahr 2007 haben die sozialen Medien den Hype verstärkt, Bilder der minimalistischen Wohneinheiten mitten in der Natur machten die Runde. Doch schon hier wird es in Österreich kompliziert, man darf sein Häuschen nämlich nicht an einen beliebigen Ort stellen. Der benötigte Grund muss als Bauland gewidmet sein und dem Tiny-House-Besitzer gehören. Wobei auch ein gepachtetes Grundstück in Frage kommt. Zum Beispiel in Wien und Niederösterreich liegen 30 Prozent der bautauglichen Flächen brach.

Gibt es keinen geeigneten Baugrund oder ist dieser schlichtweg nicht leistbar, bleibt noch das „Hausen auf Rädern“. Ausgebaute Wohnwägen oder Minihäuser, die auf einem Stahlgerüst von A nach B transportiert werden können, sind durchaus üblich. Sie können zum Beispiel auf einem Campingplatz aufgestellt werden, allerdings nur, wenn dessen Betreiber damit einverstanden ist. Manchmal ist er das nicht, weil der Campingplatz als Hauptwohnsitz ungeeignet ist und die touristische Nutzung schlichtweg im Vordergrund steht. Auch die Rechtslage ist unklar, denn die Campingplätze sind eigentlich nicht als Bauland gewidmet und damit per se kein Wohnraum.

Nachhaltig? Nur mit hochwertiger Dämmung und guter Planung

Rechtlich auf der sicheren Seite ist man nur mit einer offiziellen Baugenehmigung. Dafür müssen viele Vorschriften eingehalten werden – Schallschutz, Brandschutz usw. Auch Energieeffizienz ist ein Thema: Die dabei geltenden Grenzwerte stehen im Verhältnis zur Fläche, beim Tiny House ist die Dämmung also genauso wichtig wie bei jeder größeren Einheit. Zudem muss man sich vorab mit der Stromversorgung (Solarzellen auf der kleinen Dachfläche reichen normalerweise nicht aus), Wasser, Abwasser und Müllentsorgung beschäftigen, damit das Tiny House am Ende genehmigungsfähig und nachhaltig ist. Der Nachhaltigkeitsaspekt ist nicht zu unterschätzen: Viele Tiny-House-Proponenten sehen darin neben dem Preis das Hauptargument für den Umstieg.

Ein Zusatzgeschäft für die Bauwirtschaft

Mittlerweile gibt es in Österreich mehrere Anbieter, die Minihäuser komplett anbieten – einzig um den nötigen Grund müssen sich die Kunden kümmern. Andere Tiny-House-Fans versuchen sich selbst als Häuslbauer, mit gemischtem Erfolg. Hier wird die Sache auch für Planer, Handwerker oder Elektriker interessant, die eigenständigen Bauherren unter die Arme greifen können. Für Banken (die Preise für ein Tiny House liegen zwischen 40.000 und 200.000 Euro) und Energieversorger sind Tiny Houses sowieso ein mögliches Zusatzgeschäft.

Wer immer sich an einem Tiny-House-Projekt beteiligt, muss sich mit den baulichen Grundprinzipien vertraut machen. Das bevorzugte Baumaterial ist Holz; auch die Wände bestehen aus mit Dämmstoff gefüllten Holzrahmen. Neben Fichte und Kiefer kommt oft Pappel zum Einsatz, die leicht und trotzdem belastbar ist. Schließlich muss speziell bei mobilen Minihäusern jedes überflüssige Gramm vermieden werden. Auf einer ersten Ebene befinden sich meist Dusche, WC sowie ein kombinierter Koch-, Ess- und Wohnbereich mit einer Kochnische. Darüber werden oft Schlafbereich und Stauraum untergebracht. Die Planung erfordert Effizienz, so helfen etwa einklappbare Tische und Betten oder LED-Panels in den Wänden beim Platzsparen.

Es geht nur mit Verzicht

Doch selbst mit der perfekten Raumaufteilung muss dem Bauherrn vermittelt werden, dass ein Tiny House Verzicht bedeutet. Nutzer, die davor eine größere Wohnung hatten, müssen sich fragen, was sie an Gebrauchsgegenständen und Konsumgütern wirklich brauchen – alles wird im Tiny House nicht Platz haben. Oft ist es gerade dieser notwendige Minimalismus, der den Umstieg auf ein Tiny House wirklich nachhaltig und klimaschonend macht.


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